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Mi Manco

Fjälla
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Fjälla

Eine Umarmung kann durchaus etwas Beklemmendes haben. Klar, wir alle sehnen uns nach einer gewissen Nähe, nach Zuneigung und dem Gefühl des Geliebtwerdens, aber wer sich nie vermisst, weiss irgendwann die Bedeutung von Zweisamkeit nicht mehr zu schätzen.«Sii grande o vai a casa», singen Fjälla zum Einstieg – «go big or go home» also ungefähr. Eine abgedroschene Floskel, die auf einer intimen Ebene aber durchaus ihre Berechtigung hat: Ganz oder gar nicht. Paradoxerweise bedeuten grosse Gefühle aber nicht, sich selber aufzugeben. Im Gegenteil, finden Fjälla: «Ho bisogno del tempo – ma anchè di te», oder zu Deutsch: «Ich habe ein Verlangen nach Zeit, aber auch nach dir.» Dahinter steckt nicht etwa Bindungsangst, sondern die Entscheidung, sich nicht über andere Menschen zu definieren: «Es geht um die Balance zwischen der Liebe zu anderen und derjenigen zu sich selbst», sagt die Band. Den in den Lyrics geforderten Raum lassen Fjälla auch musikalisch. Zwischen dem spärlich eingesetzten Gesang schleicht sich ein monotones Riff an, türmt sich unheilvoll auf und zieht sich schliesslich – immer dann, wenn alles zu überborden droht – wieder ganz verlegen zurück. «Mi Manco» ist der erste italienischsprachige Fjälla-Song. Die avantgardistische Mischung aus Indierock und Postpunk wurde auf früheren Releases mit Texten auf Englisch, Französisch und Deutsch unterlegt. Thematisch gerne auch dort, wo es weh tut: Sexualisierte Gewalt, psychische Erkrankungen und Einsamkeit spielen ebenso eine Rolle wie Freundinnenschaft oder der konsensuelle «Good Morning Sex», um den sich ihre bisher erfolgreichste Single dreht. Das Projekt geht aber weit über die Musik hinaus. Für ihre Shows setzen die vier jungen Zürcher:innen auf Dramaturgie, studieren Choreographien ein und entwerfen aufwendige Kostüme. So machen Fjälla in ihrer Heimatstadt seit zwei Jahren von sich reden und standen auf renommierten Bühnen, etwa in der Roten Fabrik, im Helsinki und schon mehrmals im Dynamo. «Mi Manco» läutet eine neue Phase ein, inklusive einer Merchandise-Kollektion, die, genau wie die Musik, mit einfachsten Mitteln in Eigenregie produziert wurde. Selbstliebe statt Abhängigkeit eben